Hilfe für Aschenputtel!

Als ich mich am Donnerstag mit zwei lieben Komilitoninen traf, um die allerletzte, diesmal mündliche, Prüfung für dieses Semester vorzubereiten, da der Dozent bitteschön nicht nur 45 Minuten lang trockene Theorie hören möchte, sondern dabei auch Transferleistungen, Bezüge zu aktuellen sozialpolitischen Themen, Vergleiche, Fallbeispiele – ach, sagen wir es doch einfach und direkt: Entertainment – präsentiert bekommen möchte, eröffneten mir die beiden, dass sie bereits einen Plan hätten. Drei Stunden, ein Märchen und einige Playmobilfiguren später war das Konzept fertig und so werden wir nun morgen unsere Theorie (anhand eines ganz kleinen Auszugs aus) einer familientherapeutischen Sitzung mit Aschenputtel und ihrer Familie präsentieren. Die Komilitonin bringt Playmobilfiguren mit und ich breche jetzt schon alleine bei dem Gedanken daran ab vor Lachen. Aber hey, Konfliktpotential, Konkurrenz, Unterdrückung, Ausgrenzung und Diskriminierung gibt es in Märchen ja grundsätzlich genug, und mit Aschenputtel, der bösen Stiefmutter, dem ständig abwesenden Vater, den Stiefschwestern und last but not least dem Herrn Prinz haben wir auch eine recht interessante Rollenkonstellation. So betrachtet finde ich es richtig gut, dass wir hier endlich mal etwas tun können, um diese prekären Familienverhältnisse aufzubrechen und das arme Aschenputtel nicht noch weitere 100 Jahre lang mit all seinem Leid in den Märchenbüchern vor sich hinschmoren zu lassen. Ha! 😉

Bei den lösungsorientierten Ansätzen in der Sozialarbeit wird weniger über das Problem, als vielmehr über die Lösung geredet. Das geht in der Theorie teilweise sogar so weit, dass das Wort „Problem“ gar nicht in den Mund genommen wird, weil hier ein sehr sehr positives Menschenbild vertreten wird, in dem der Mensch grundsätzlich fähig ist, seine „Probleme“ anhand der Ressourcen, die er von Natur aus mitbringt, selber zu lösen.

  1. Probleme sind Herausforderungen, die jeder Mensch auf seine ganz persönliche Art zu bewältigen sucht.
  2. Alle Menschen haben Ressourcen, um ihr Leben zu gestalten. In eigener Sache ist der Einzelne kundig und kompetent. Der Klient ist der Experte für das eigene Leben.

Das finde ich grundsätzlich in meiner grenzenlosen Naivität ersteinmal eine ganz tolle Haltung, ob es sich in der Realität bewährt, werde ich wohl erst ein paar Jahren erfahren. 😉

Die erste Schwierigkeit morgen wird also, das Wort „Problem“ nicht in den Mund zu nehmen, die zweite und viel größere – wer mich kennt – wird, nicht nach zwei Minuten vor Kichern unterm Tisch zu liegen. Das kann ja heiter werden…

Was ich erwartet hätte

So ein wenig unangenehm war mir vor dem ersten Zusammentreffen mit meinen „alten“ Dozenten auf einer Veranstaltung, so wegen der abgebrochenen Promotion und so. Und meine Erwartungen schienen sich zunächst auch zu bestätigen, als der Assistent am Institut für Finnougristik (also anderes Institut) auf mich zukam und mir zurief: „Ich habe Deinen Namen auf der Homepage von Deinem Professor gesehen! Und dabei stand: Theme to be announced…“

Was ich aber nicht erwartet hätte, ist dass die „alten“ Dozenten dann fast in Begeisterungsstürme ausbrechen, als ich vom neuen Studium erzähle. (Ich hätte mir das aber wohl denken könnne. 😉 )

So schön war das, so viele liebe alte Freunde wiedergesehen!

erwarten – erhoffen – befürchten

Du weisst, dass Du „was soziales“ studierst, wenn Du zu Beginn eines ganz stinknormalen Kurses über Träger der sozialen Arbeit eine geschlagene dreiviertel Stunde darüber diskutierst, was man bei einem derartigen Kurs erwarten, erhoffen oder befürchten darf/ kann/ soll/ muss, dann noch ein bisschen erörterst, ob man das was man erwartet, auch erhoffen darf oder ob es besser ist, das zu erhoffen, was man nicht erwarten darf, um dann zum Schluss festzustellen, dass man eigentlich ja gar nichts befürchten muss, weil es ja ganz natürlich ist, dass man zu Beginn eines Studiums eine gewisse Neugier mitbringt und neues Wissen erwerben möchte.

Inzwischen nach zwei Wochen und etlichen verschobenen und nochmals umgelegten Kursen, sind wir dann allgemein auch bei inhaltlich-fachlichen Themen angelangt und Frau Ansku findet das alles ganz wunderbar. Ich kann manchmal sehr geduldig sein, aber vor ungefähr einer Woche brachten oben geschilderte Diskussionen mich des Öfteren zur Weißglut, aber jetzt ist alles interessant und spannend und ganz fein.

(Ich versuche, möglichst viel von dieser Zeit aufzuschreiben, von dem ungewohnten und neuem. In ca. drei bis dreieinhalb Jahren dann werde ich dann hierhin verlinken, dann dürfen Sie über mich lachen.)

Die alte Professorin

Als ich mich fürs Studium bewarb, ging ich zu beiden Hochschulen dieser Stadt, an denen man Soziale Arbeit studieren kann, zur Studienberatung. In der einen ein gutaussehender junger Mann, sehr sympathisch, sehr nett und vor allem überaus hilfsbereit und engagiert. Er hörte sich meine Lage sehr genau an und kam dann sogar noch auf die Idee, zu suchen ob es eine Möglichkeit gäbe für mich, trotz Fachwechsel einen Master zu machen.

In der anderen Hochschule war es eine schon etwas ältere Professorin, die sehr viel redete, teils auch wirr, aber nicht weniger freundlich und aufgeschlossen war. Wir redeten sehr lange über sehr vieles, über soziale Arbeit, über Gesellschaft.

Neben vielem anderen sagte sie auch einen Satz, der mich sehr beeindruckt hat und der mich nachhaltig in meiner Entscheidung bestärkt hat:

„Soziale Arbeit bzw. Sozialpädagogik ist ein sehr junges Fach, das sich erst seit den 50er (?) Jahren langsam herausgebildet hat. Der Grund ist offensichtlich: Davor lebten die Menschen in einer Diktatur. In einer Diktatur kann man alle Menschen, die nicht ins System passen, die eine andere Hautfarbe, eine andere Religion, Sexualität oder Weltanschauung haben, die krank oder behindert sind, einfach wegsperren. Wir leben aber heutzutage in einer Demokratie und in einer Demokratie kann man keine Menschen mehr wegsperren, sobald sie „anders“ oder „krank“ sind oder sonstwie nicht „passen“, sondern man muss sie in die Gesellschaft integrieren, man muss sie irgendwie in die Gesellschaft zurückführen. Deshalb brauchen wir Sozialpädagogen.“

Ich finde diesen Satz toll, er bringt es kurz, knapp und präzise auf einen Punkt, was ich mir von dieser Arbeit erhoffe und was ich mir unter sinnvoller Arbeit vorstelle. Ich werde die Professorin und diesen Satz sicherlich nicht vergessen, obwohl ich mich nach den beiden Beratungsgesprächen doch so generell an der anderen Uni etwas wohler und besser aufgehoben  fühlte.

Freitag kam der Zulassungsbescheid. Von meiner favorisierten Hochschule. Ich bin ab Oktober wieder Studentin.

Wie alles begann

Vor ca. sieben Jahren um diese Zeit sass ich ebenfalls zu Hause und wusste nicht, was ich vom Leben wollte, welchen Beruf ich mal ausüben wollte geschweige denn ob ich studieren wollte oder nicht. Ich war frischgebackene Abiturientin und eigentlich wollte ich ersteinmal nichts wie weg von den ewigen Mühlen des Lernens. Meine Mutter hatte mich jedoch bereits eine Woche nach meiner letzten Abiprüfung gezwungen, zu allen Münchner Unis und Fachhochschulen zu gehen und mir Listen geben zu lassen, welche Fächer man dort studieren kann, zu diesem Zeitpunkt habe ich sie dafür verflucht – was interessiert mich eine Woche nach dem Abi die Uni? –  später war ich ihr noch sehr dankbar dafür.  Halbherzig habe ich auch mal in die Listen reingesehen und kurz überlegt, Chemie oder BWL oder Geschichte oder… zu studieren, dann aber wollte ich doch lieber „ins richtige Arbeitsleben schnuppern“ und hatte halbherzig ein paar Bewerbungen an PR- und Marketing-Agenturen geschickt (der Traum aller kleinen Mädels 😉 – kreativ sein, „irgendwas mit Werbung, irgendwas mit Design“), leider (oder gottseidank?) ohne Erfolg. In erster Linie aber, genoss ich lieber den fabelhaften Sommer 2002, statt mir Sorgen um meine Zukunft zu machen. Außerdem wusste ich einfach nicht, was ich will, so sehr ich auch darüber nachdachte – damals wie heute.

Nach jedem Sommer aber kommt der Herbst, die Schule fing wieder an – ohne mich, die Freunde begannen zu studieren – und plötzlich bekam ich Torschlusspanik. Nachdem ich Mitte September immer noch ohne Job dastand, holte ich auf einmal plötzlich doch wieder die Uni-Listen heraus, ich könnte ja mal schauen, ob nicht doch etwas interessantes dabei ist. Ich setzte mich auf den Boden meines Zimmers und fing an wegzustreichen. Ich strich zunächst alles durch, was nicht in frage kam:

Chemie, Physik, Biologie

BWL/ VWL

Germanistik, Anglistik, Orientalistik

Da plötzlich fiel mein Blick auf ein Fach ganz am Anfang der Liste: Allgemeine Sprachwissenschaft. Das hörte sich schoneinmal ziemlich gut an, nicht sich für eine Sprache entscheiden zu müssen, sondern allgemein Sprache und ganz viele Sprachen zu studieren. Könnte das vielleicht…?

Übrig auf meiner Liste blieben dann zum Schluss

Allgemeine Sprachwissenschaft

Geschichte

Soziologie

Das war’s dann. Ich fand alle drei Fächer gut und wollte am liebsten alle drei Fächer studieren, daher schied Soziologie aber als Hauptfach aus, weil es ein Diplomstudiengang ist und man nur (eingeschränkt) ein Nebenfach hat. Ebenso schied Geschichte aus, weil man dann ein zweites geschichtliches Nebenfach nehmen muss und weil mich mein Lehrer so davor gewarnt hatte. („Ja, was willst Du denn mit Geschichte anfangen? Im Museum wird alle 10 Jahre mal ein Job frei!“), als blieb nur noch Sprachwissenschaft als mögliches Hauptfach übrig und dank dem Magisterstudiengang könnte ich die beiden anderen Fächer dann als Nebenfächer behalten. Gesagt, getan. Ich hatte zwar keine Vorstellung von diesem exotischen Fach, aber „irgendwas mit Sprachen“ wird schon zu etwas gut sein. Ich holte mir ein paar mehr Informationen und gerade einmal zwei Wochen später war ich eingeschriebene Studentin.

So kam das mit der Sprachwissenschaft. Und wenige Monate später sass ich in einem Kurs und plötzlich fiel mir – als ob ich es noch nie gewusst hätte – ein, dass mich Sprachgeschichte und so was ja schon in der Schule, im Griechischunterricht immer so fasziniert hatte. Dass ich in der Schule die war, die sich mit Begeisterung mich auf jedes neue Fremdwort gestürzt hatte, welches ich aus dem Lateinischen ableiten konnte. (Klein-Ansku: „Ach, und Audio kommt dann von lat. audire ‚hören‘, nicht wahr???“) und dass ich die war, die mit dem Lehrer im Griechisch-LK über die regelmäßigen Vokalwechsel im ionischen Dialekt usw. diskutiert hatte und ich musste lächeln und dachte, dass das dann ja so völlig bewusst unbewusst schon die richtige Wahl war.

Und denke das heute immer noch. Dass es eine der besten Entscheidungen war, die ich in meinem Leben getroffen habe.

Ich schreibe das auf, weil mir diese Situation beim Schreiben einer Email an eine Freundin in Finnland neulich eingefallen ist und weil ich erkannte, WIE ÄHNLICH die Situationen damals und heute sind. Ich sollte also vielleicht mal eine Liste schreiben… 😉

Legenden live erleben

Ach übrigens:  Im Winter hab ich noch sein Buch für die Magisterprüfung gelesen, gestern hab ich ihn live und aus einem Meter Entfernung gesehen. Charles Fillmore, maßgeblicher Mitbegründer der modernen kognitiven Sprachwissenschaft und eine linguistische Legende. Ich find das ja immer hammerst spannend, solche Begegnungen.

Und irgendwie sah er äusserst normal und sehr sympathisch aus und sprach auch so, irgendwie wie ein ganz normaler lieber netter Opa. 🙂

früh morgens, wenn die Elefanten pinkeln…

Seit diese Woche hat mich also das Unileben wieder, zumindest ein paar wenige Kurse hab ich mir rausgesucht und hatte ich doch im April Zweifel, ob ich wieder so weitermachen könnte wie früher, so kann ich jetzt doch freudig sagen „Ja, ich kann’s noch!“ und – hach! – ich liebe es wie eh und je. 😉

Und pünktlich zum verspäteten Semesterstart gibt es auch wieder sprachwissenschaftlichen Blogcontent! Nebenbei, hier liegen auch noch einige angefangene Beiträge auf Halde, um die sollte ich mich auch mal dringend kümmern. Gestern war ich in einem Kurs über Khoisan-Sprachen, das ist eine Sprachfamilie in Südostafrika, also in Namibia und Südafrika, die sich dadurch hervorhebt, dass sie extrem viele Klicklaute enthält. Diese Clicks können an verschiedenen Stellen im Mund gebildet werden, z.B. vorne mit der Zungenspitze, seitlich oder hinten mit dem Zungenrücken und hören sich je nach Artikulationsort entweder wie ein kleines „Klack“ (vordere Clicks) oder eher wie ein Schmatzen (hintere Clicks am Zungenrücken) an. Klicklaute kommen in einigen der Sprachen der Khoisan-Sprachfamilie in fast 70% der Wörter vor und dementsprechend hört sich das auch an.

Jedenfalls kam gestern in der Stunde ein kleiner Ausdruck vor, den ich einfach göttlich finde:

Kham tàmà ‡khòàdi. Das bedeutet wortwörtlich übersetzt:

pinkeln nicht Elefantenkuh von,

also etwa ‚von dem Nicht-Pinkeln der Elefantenkuh‘.

Tatsächlich aber ist dieser doch relativ komplexe Ausdruck eine einfache kleine Zeitangabe und bedeutet „sehr früh (am Morgen)“, also noch bevor die Elefantenkühe aufstehen und zum Pinkeln gehen. 😀 Wiedereinmal ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Sprache und Kultur zusammenhängen. Hab ich schon erwähnt, dass ich mein Fach liebe? 😉

(Daumen müssen leider noch bis nächste Woche gedrückt werden, der Herr Professor und ich verstehen es seit inzwischen fast zwei Monaten hervorragend, uns so abzustimmen, dass immer genau einer von uns nicht in der Stadt ist… Nächste Woche hoffentlich endlich!)

Interview zum Bachelor-Murks

Bei ihr schonmal in einem Kommentar erwähnt, hier nun für alle:

Dieser mutige Professor aus Mainz hat endlich einmal die Stirn, etwas gegen diesen ganzen Bachelor-Müll zu tun und hat aus Protest seine Professur niedergelegt, chapeau! (Er gibt allerdings auch zu, dass das für viele seiner Kollegen nicht möglich ist, weil sie z.B. Familie zu ernähren haben, aber trotzdem: Endlich einmal jemand, der den ersten Schritt macht!) In dem Interview spricht er mir vollkommen aus der Seele, jeder einzelne Punkt!

Unnützes Wissen XVI

Gestern bei der Abschlussfeier gab es neben Sekt auch eine sehr nette Rede des Dekans, die aber trotzdem natürlich das unvermeidliche Thema „Geisteswissenschaftler und der Arbeitsmarkt“ enthielt, dass unsere Gesellschaft nicht nur aus Naturwissenschaftlern, Ärzten und Juristen bestehen kann, dass Geisteswissenschaftler auch wichtige Qualitäten mitbringen etc. etc. Natürlich fiel dabei der Begriff Schlüsselqualifikationen oder auch soft skills, was im Endeffekt ja bedeutet, dass ich jetzt in der Lage bin/ sein sollte, eine Bibliothek zu benutzen und wieder herauszufinden selbstständig zu recherchieren, Probleme zu erfassen und selber Lösungswege zu erarbeiten usw. Noch besser als soft skills gefiel mir dafür aber der vom Herrn Dekan erfundene verwendete neuhochdeutsche Ausdruck „Wissens-Manager“.

Ich bin also jetzt eine richtige und amtliche Wissens-Managerin, aber am liebsten manage ich natürlich – jawoll, unnützes Wissen! Deshalb gibt es jetzt hier eine neue Portion unnützes Wissen, bevor ich mich auch wieder in die Arbeitswoche verabschiede. Ich konnte Sie doch nicht hier so alleine und ohne Beschäftigung lassen!

* Christoph Kolumbus beschrieb Meerjungfrauen als fettleibig und hässlich. Historiker vermuten, dass er damit die zu dieser Zeit in Europa unbekannte Seekuh meinte.

* Im Gegensatz zu Josef Stalin und Konrad Adenauer steht Adolf Hitler nicht im Duden.

* Die Nase der Freiheitsstatue misst 1,48 Meter.

* Jeder dritte Deutsche telefoniert täglich mit seiner Mutter.

* Kate Hudson hat mehr als 400 Paar Schuhe.

* Der medizinische Fachausdruck für Magenknurren lautet Borborygmus.

* Es gibt keinen bestätigten Bericht, wonach Piranhas jemals einen Menschen getötet haben.

* Wenn der Mensch den Kopf unter Wasser hält, verlangsamt sich der Herzschlag.

* Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Speiseeis in Europa haben die Finnen. (Warum nur wundert mich das gar nicht…)

* Somalia bedeutet wörtlich „Geh und melke!“

* In Papua-Neuguinea werden achthundert verschiedene Sprachen gesprochen. Das entspricht einem Viertel aller Sprachen weltweit. (Erzähl mir was Neues…)

Aus dem Institutsleben

Zur Zeit kommt es durchaus vor, dass ich abends erst so spät nach Hause komme, dass ich noch nicht einmal mehr meinen Laptop ans Stromnetz anschließe, sondern ihn auf Akku laufen lasse, weil ich eh nur noch schnell Mails checke und in den GoogleReader gucken muss. 😉 Eigentlich lasse ich den sehr ungerne auf Akku laufen es ist auch nicht der beste Akku, aber es läuft dann halt so, dass ich morgens sowieso gleich nach dem Aufstehen wann auch immer das sein mag wieder aus dem Haus gehe und der Schläpptop, der momentan im wahrsten Sinne ein Schläpptop ist, dann erst in der Uni wieder an die Homebase Steckdose kommt. So ein bisschen heimatlos komme ich mir dann manchmal vor.

Wenn aber dann an einem Dienstag abend um 20 Uhr nach der letzten Sitzung des Magistrandenkolloquium ich wollte gerade nach Hause und weiterlernen die lieben Dozenten fragen, ob wir noch eine Kleinigkeit essen gehen wollen und wenn wir dann in einer kleinen gemütlichen Runde beim Italiener sitzen und wenn die Frau Professorin mit strahlenden Augen von ihrem Enkelkind erzählt und wenn wir uns alle kaputtlachen über die Geschichten über Schimpfworte, die jeder früher oder später mal ungewollt in der falschen Situation gesagt hat und wenn das „eine Kleinigkeit essen gehen“ dann bis halb zwölf dauert, dann macht dieses heimatlose Dasein plötzlich gar nichts mehr aus und dann weiss ich, dass das etwas ganz Großartiges und etwas noch Einzigartigeres ist, was wir hier haben und dann weiss ich, dass mir ab Freitag mittag zumindest eines Sache, wenn nicht sogar sehr viele Sachen sehr sehr fehlen werden.

Ach hätt‘ ich doch…

Neulich hab ich einen zur momentanen Situation sehr passenden Artikel gefunden „ach, hätt‘ ich doch…“, in dem es darum geht, was Studenten im Rückblick kurz vor Abschluss ihres Studiums gerne anders gemacht hätten oder anders hätten machen können/ wollen/ müssen. Mehr Praktika, noch ein Auslandssemester einschieben, mehr feiern, weniger arbeiten, irgendetwas findet man immer…

Nach einigem Überlegen bin ich zu dem schönen und sehr befriedigendem Schluss gekommen, dass es in den wesentlichen Dingen wenig bis gar nichts gibt, was ich an/ in meinem Studium bereue oder anders gemacht hätte und wenn, dann sind es so Sachen wie das, dass ich damals nicht die Zeit und die Möglichkeit hatte, noch ein Auslandssemester an mein Praktikum in Finnland dranzuhängen. Oder, dass ich es nicht geschafft habe, ein kleines bisschen mehr und regelmäßiger zu arbeiten um dann mit mehr Geld mehr machen zu können, ich bin wohl schon ein echter Prototyp des „dauerbankrotten Studenten“ und hab meiner Familie wohl einiges abverlangt. Oder dass ich nicht noch fünf weitere Semester studieren darf/ kann. 😉 Ich könnte auch sagen, ich bereue es, dass ich nicht die Zeit hatte, noch mindestens zehn weitere Sprachen (auf der Wunschliste ganz oben stehen: Russisch, Türkisch, Hindi, Schwedisch, Arabisch, Portugiesisch, Swahili u.v.m.) fließend zu lernen. Aber das ist wohl eher nichts, was ich wirklich „bereue“ und meine verpasst zu haben, sondern der Lauf des Lebens. Der Tag hat leider nur 24 Stunden und das Studium nur ein gewisse bei mir eh schon ziemlich hohe Semesterzahl . 😆 Trotzdem habe ich diese 24 Stunden und diese 12 Finnland miteinberechnet 13 Semester so genutzt, wie ich es mir vorgestellt habe und das ist ein sehr schönes Gefühl.

Ich hatte viel Glück – dessen bin ich mir bewusst – und hatte auch eine Familie, die mich nach Leibeskräften und in jeglicher Hinsicht unterstützt hat. Deswegen habe ich auch eher selten und unregelmäßig nebenher gejobbt/ jobben müssen. Praktika habe ich keine gemacht, aber das bereue ich nicht. 😀 Ehrlich gesagt, ich wollte meine Studienzeit nutzen, um die Welt zu entdecken, Sprachkurse zu machen und Sprachen zu lernen und das habe ich gemacht – und hab jetzt immerhin zwei offizielle Sprachdiplome zu Hause im Treppenhaus hängen.

Obwohl man ja immer von allen Seiten zu hören bekommt (und das hört sich auch in dem Artikel etwas danach an), dass man als Geisteswissenschaftler ohne mindestens 20 Praktika null Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, habe ich habe mich diesem Sog der Panik vor Arbeitslosigkeit um mich herum wiedersetzt. Ich bin sogar fast ein bisschen stolz darauf war und bin der Meinung, dass Studentenpraktika überbewertet werden. Klar, man kann mal Büroluft schnuppern und wenn jemand arbeiten will und Joballtag mal live erfahren will, ist das schön und gut. Aber soooo massig viel Berufserfahrung sammelt man auch nicht, denn selbst wenn man ums Kaffeekochen herumkommt: Akten sortieren ist auch nicht sehr viel spannender und lehrreicher. (So war’s zumindest bei mir.) Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass sich irgendwie irgendwo und irgendwann ein Job finden wird. Ich möchte nicht blauäugig sein und ich denke, es wird vielleicht nicht ganz leicht, aber es wird sich etwas finden. Hoffentlich muss ich nicht nächstes Jahr an dieser Stelle schreiben, dass dem wohl doch nicht so war…

Nein, ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass nach einer unschönen Schulzeit mit viel Mobbing, dass dieses Studium (bis jetzt) die beste und intensivste Zeit meines Lebens war, dass ich die Zeit so genutzt habe, wie ich es mir vorgestellt habe und dass ich eine Beschäftigung gefunden habe, die mir aufrichtig Freude macht und mich erfüllt und – das Wichtigste – dass ich auch hier im Institut echte Freunde gefunden habe. Von mir gibt es daher kein „Ach, hätt‘ ich doch…“, sondern höchstens ein „Ach, Zeit, verweile doch noch ein bisschen…!“ und ein paar kleine verdrückte Tränchen.

No. 2

Auch Nummer zwei ist – wenn auch sehr malade und erkältet – überstanden und ich bin um einige wichtige Erkenntnisse reicher wie zum Beispiel dieses Gespräch mit einem sehr netten für seinen Zynismus bekannten und beliebten Dozenten:

Dozent: Falls Du vorhaben solltest, zu promovieren, überleg Dir zuerst, was Du wirklich machen willst! Viele Leute machen den Fehler und melden sich erst zur Promotion an und nach einem halben Jahr stellen sie fest, dass das doch nicht ihr Ding ist. Dabei ist das völlig normal, die ersten zwei Jahre während der Doktorarbeit, während man sich einliest und forscht,  SIND einfach scheiße, es läuft nicht und man fühlt sich scheiße…

Frau Ansku (lacht)

Dozent: Und wenn das nicht so sein sollte, dann solltest Du Dir schnellstens ein anderes Thema geben lassen, denn dann stimmt entweder mit Dir oder mit dem Thema etwas nicht…

Frau Ansku: Ich fasse also zusammen: Sollte ich während der Doktorarbeit tatsächlich so etwas wie Spaß an der Arbeit verspüren, sollte ich schnellstens den Psychiater meines Vertrauens konsultieren…

Dozent: … nein, den Doktorvater! Das kommt auf das Gleiche raus!

Frau Ansku: 😀

Jetzt hab ich nächstes Jahr die Wahl: Doktorarbeit oder Psychiater…

Lustiges und Kurioses aus der bunten Welt der Sprache

Was ist denn eigentlich…? Indogermanistik

Ich hab es ja schon erzählt: Wenn mich Leute fragen, was ich studiere, ernte ich – naturgemäss – immer etwas Verwunderung:“Ich studiere Sprachwissenschaft…“ – „Aha, und WELCHE Sprachen?“ – „… und meine Nebenfächer sind Finnougristik und Indogermanistik.“ Spätestens da hört es dann auf. Finnougristik hört sich zwar komisch an, das Wort enthält eindeutig zuviele Vokale 😉 , aber das kann man noch erklären: „Das ist Finnisch (Finno-) und Ungarisch (-ugris-tik), die gehören zu einer eigenen Sprachfamilie.“ Aber Indogermanistik klingt vermutlich für manche Ohren doch sehr exotisch „Indo-was?“, deshalb versuche ich heute mal für meine werten Leser etwas von dieser Exotik zu nehmen:

Indogermanistik ist eigentlich historische Sprachwissenschaft, die Wissenschaft von der historischen Entwicklung der Sprachen und Sprachfamilien. Daneben ist Indogermanistik aber auch die Sprachwissenschaft der indogermanischen Sprachen (sehr selten gibt es auch die Bezeichnung: Indoeuropäische Sprachen, aber das ist natürlich wiederum ein Politikum 😉 ). Die indogermanischen Sprachen bilden eine große und sehr verzweigte Sprachfamilie mit vielen heute noch gesprochenen, aber auch vielen alten, ausgestorbenen Sprachen, wie z.B. Latein, Altgriechisch, Sanskrit (Altindisch), Tocharisch). Diese Sprachen finden sich im größten Teil von Europa bis hin zum Kaukasus. Das ausgestorbene Tocharisch, was ebenfalls als ein Zweig der indogermanischen Sprachfamilie gezählt wird, wurde sogar noch weiter östlich, vermutlich in der heutigen Monogolei gesprochen. Zählt man dann noch die Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen u.a. im Zuge der Kolonisation hinzu, so ist es weltweit die größte Sprachfamilie mit 2,5 Milliarden Muttersprachlern.

Wikipedia
Quelle: Wikipedia

Man vermutete schon vor langer Zeit, dass alle diese Sprachen einen gemeinsamen Ursprung haben, das Ur-Indogermanische. Das ist eine Sprache, die nach archäologischen, ethnologischen und linguistischen Theorien im 4. Jahrtausend vor Christus in einer Gegend zwischen Ostmitteleuropa und dem Kaukasus gesprochen worden sein muss. Heute kann man das auch beweisen, denn es gibt in der Entwicklung von Sprachen gewisse Regelhaftigkeiten (z.B. sogenannte Lautwandel), anhand derer man zuerst die Ursprachen der einzelnen Familien und dann die gemeinsame Indogermanische Ursprache rekonstruieren kann. Als ein minikleines Beispiel die Tabelle unten:

http://homepages.fh-giessen.de/kausen/wordtexte/Indogerm%20Wortgleichungen.doc
http://homepages.fh-giessen.de/kausen/wordtexte/Indogerm%20Wortgleichungen.doc

(KLICK macht’s groß)

Bei dem Wort für „Vater“ könnt Ihr erkennen, dass dieses Wort heute in verschiedenen Sprachen viele verschiedene Formen hat. Dennoch klingen die irgendwie alle ähnlich. Wenn man sich nun die Mitte des Wortes ansieht, dann bemerkt man, dass das t aus dem alten indogermanischen Wort in einigen Wörtern erhalten geblieben ist, zum Beispiel im Sanskrit ‚pitar‘, im Griechischen ‚patér‘ oder im Lateinischen ‚pater‘. Im Gotischen dagegen ist an die Stelle des mittleren t’s ein ‚d‘ getreten, das ‚d‘ ist ein stimmhafter Laut geworden. Das passiert ganz natürlich, im Laufe von vielen Jahren. Sprache ist immer einem Wandel unterlegen, auch unsere heutigen Sprachen verändern sich ja noch. Im Englischen heute wiederum ist daraus ein ‚th‘ geworden und im Altirischen ist es ein behauchtes ‚th‘ (nicht wie Englisch, sondern deutlich behaucht: th). Vergleicht man nun das mit der zweiten Zeile und dem Wort für Mutter, welches auch in der Mitte ein ‚t‘ hat, so finden sich diese Ergebnisse durchweg bestätigt. Das Ganze geht natürlich in einem viel größerem Rahmen und wesentlich komplizierter ab, klar oder? Aber letztendlich kann man aus solchen Befunden sog. „Lautgesetze“ über die Entwicklung von Lauten aufstellen und daraus lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten, wie die indogermanische Ursprache ausgesehen haben muss. Eine solche Vermutung ist zum Beispiel, dass ‚Vater‘ auf Indogermanisch vor vielen tausend Jahren *pəter geheißen haben muss. Das umgedrehte e in dem Wort ist ein zentraler, fast schon etwas verschluckter Laut, in etwa wie das letzte e im deutschen Verben „spielen“, was ja ausgesprochen wie „spiln“ klingt. Und das Sternchen vor dem Wort bedeutet übrigens, dass dieses Wort in dieser Form von den Forschern so angenommen wird, schriftlich belegt ist es jedoch nciht, weil es natürlich damals vor etlichen tausend Jahren noch keine Schrift geschweige denn Tonbandaufnahmen 😉 gab und uns daher aus dieser Zeit irgendwelche Dokumentationen über die tatsächliche Form dieses Wortes fehlen

Und man sieht, auch bei Verben, Zahlwörtern und Pronomen gibt es große Ähnlichkeiten.

http://homepages.fh-giessen.de/kausen/wordtexte/Indogerm%20Wortgleichungen.doc
http://homepages.fh-giessen.de/kausen/wordtexte/Indogerm%20Wortgleichungen.doc

(KLICK macht’s groß)

Man geht bei all diesen Rekonstruktionen davon aus, dass sich diese Ursprache im Laufe der Zeit auseinanderentwickelt hat und sich dadurch zunächst weitere Ursprachen entwickelt haben. So zum Beispiel das Urgermanische, das Urslavische, das Urkeltische usw. In der Abbildung unten ist links das Schema dargestellt, rechts die chronologische Entwicklung der einzelnen Sprachen und Sprachgruppen, welche Sprache sich zuerst abgespalten hat und so weiter. Aus diesen Ursprachen, die immer noch auf einen Zeitraum von vor ca. 3000-4000 Jahren angesetzt werden, haben sich dann unsere heute bekannten Sprachen entwickelt, also hat sich zum Beispiel das Urgermanische wiederum aufgespalten in verschiedene regionale Untergruppen, zum Beispiel Nordgermanisch, woraus dann Schwedisch, Dänisch, Norwegisch und Isländisch entstanden, das Westgermanische, woraus u.a. Deutsch, Holländisch und Englisch entstanden und das ausgestorbene Ostgermanisch, wozu Gotisch gehörte. Eine etwas bessere Übersicht über die Mitglieder der einzelnen Sprachzweige gibt es hier.

TITUS Thesaurus indogermanische Texte und Sprachmaterialien
Quelle: TITUS Thesaurus indogermanische Texte und Sprachmaterialien

So, wer ist bis hierhin mitgekommen? 😀 Ich hoffe, ich habe damit ein bisschen Exotik genommen, ein bisschen Neugier befriedigt und ein bisschen Neugier geweckt. 😉 Wer noch mehr wissen will, der frage bitte entweder mich oder konsultiere diesen relativ guten Wikipedia-Artikel Indogermanische Sprachen oder diese Beschreibung des Faches auf der Homepage unseres Institutes.

(Und wie jedes Mal würde ich mich auch jetzt über Feedback freuen, ob das jetzt für Euch interessant oder langweilig, verständlich oder kompliziert, informativ oder zu ausführlich war. Ich bemühe mich sehr, das auch für „nicht-SpraWis“ interessant und verständlich zu schreiben und einen Einblick in meinen „Job“ zu geben ohne allzuviel Vorwissen vorauszusetzen, aber ob es einem dann immer so gelingt ist die andere Sache.)

Es geht wieder looohoos!

Gut kopiert ist halb gelernt! 🙂

11 Prüfungsthemen in drei Fächern und für jedes Thema schätzungsweise 5-7 Bücher oder Artikel. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie ich mich fühle?? 😉

Und dann auch noch gemöterlischer Vormittag in der Bibliothek beim Literatur suchen, dabei bekannte Gesichter getroffen, geratscht, Käffschen zwischendurch, sehr wunderbar. (Nur dass die neulich die komplette Bibliothek umgeräumt haben, dass hätt mal nicht sein müssen. Da fühlt man sich gleich noch Erstsemester-like blöder als sowieso schon, wenn man für ein komplette neues Thema Literatur suchen muss und keine Ahnung hat. 😉 )

Ein fröhliches, frösches und beschwöngtes Wochenende Euch allen!