(Endlich komme ich mal dazu, diesen Artikel zu schreiben, denn eigentlich liegt diese ganze Sache schon ein paar Monate zurück.)
Ich war im Herbst neben dem neuen Job auch in meiner Freizeit nicht untätig. Im September fragte man mich in der Uni, ob ich nicht Lust hätte, bei einem kleinen Projekt mitzuarbeiten – Geld gibt es nicht, dafür Ruhm und Ehre. Aber ja doch, natürlich hatte ich Lust! Zumal dieses Projekt ein für mich ziemlich neues, bisher sträflich vernachlässigtes Gebiet der Sprachwissenschaft betraf, die Dialektologie. Ein bekannter Verlag für Reiseführer möchte einen neuen Reiseführer über Bayern herausbringen, wo Bayern von einer ganz neuen Seite beleuchtet werden soll, mit seinen kulturellen Eigenheiten, seinen kulinarischen Schmankerln und seinen historischen Orten. Das Ganze soll natürlich auch speziell die verschiedenen Regionen Bayerns zeigen, also Franken, Ober- und Niederbayern, Schwaben usw. Soweit ich weiss, wurden für den kulturellen Teil hauptsächlich UrEinwohner persönlich befragt, für den sprachlichen Teil war das zunächst auch so geplant und versprach sehr spannend zu werden.
Ein persönliches Interview mit einem Informanten zu führen, wo die gewonnenen sprachlichen Daten mit Kamera und/ oder Tonband aufgezeichnet werden, dazu hatte ich bedauerlicherweise in meinem Studium auch noch nie die Gelegenheit. Nun darf man sich so ein Interview nicht so vorstellen, dass der kleine Sprachwissenschaftler zu dem Sprecher geht und sagt: Oooh! Ein unbekanntes Wesen Sprecher! Hallo, Du! Sprecher! Erzähl ma‘ was von Dir, sag einfach ma‘ was! und aufs Knöpfchen drückt und schon hat man die Daten. Nein, denn man möchte die Sprache ja so authentisch wie möglich, in ihrer natürlichen Umgebung aufzeichnen und leider ist so ein Interview weissgott keine natürliche Situation. Wie viele Faktoren da mit hereinspielen begriff ich erst, als ich mich länger mit dieser Sache beschäftigte. Zunächst ist ja mal der Interviewer für den Sprecher eine fremde Person, der gegenüber er sich zunächst möglicherweise scheu verhalt. Möglicherweise verstärken Kamera und Tonbandgerät diese Scheu noch. Dazu kommt noch, dass z.B. Sprecher eines Dialektes oft befürchten, von der fremden Person nicht verstanden zu werden und deshalb – bewusst oder unbewusst – nicht reinen Dialekt, sondern eine Sprache näher an der Hochsprache sprechen usw. usw. usw. und schon ist es mit der Authentiztität passé. Je mehr ich mich dazu einlas und mit anderen Studenten, die ebenfalls an dem Projekt mitarbeiteten austauschte, desto spannender fand ich die Sache und hätte am liebsten sofort Kamera und Mikro eingepackt, um loszuziehen und Daten zu sammeln. Nicht ganz zufällig 😉 hatte ich mich für die Region Unterfranken gemeldet, weil ich den Dialekt dort ja schon einige Male hören konnte und ihn wirklich sehr schön und interessant finde. Leider stellte es dann doch als ziemlich schwierig heraus, so aus der Ferne von der Landeshauptstadt aus einen Sprecher zu organisieren, der Zeit hat, die nötigen Dialektkenntnisse und dazu noch bereit ist, sich eben von einer fremden Person filmen zu lassen. Extremst schwer. Auch eine vorsichtige Anfrage beim berühmtesten Unterfranken ever wurde leider aus Zeitgründen abgelehnt. Aber auch andere Leute in anderen Regionen schienen ähnliche Probleme zu haben, soweit sie nicht auf Verwandte zurückgreifen konnten, so dass kurze Zeit später aufgrund von Zeitdruck (der Reiseführer soll ja auch irgendwann mal veröffentlicht werden) der Plan ganz allgemein etwas geändert wurde und die Interviews gestrichen wurden und auch die Regionen nocheinmal etwas anders verteilt wurden.
So forschte ich letzten Endes also ein bisschen an meinem Schreibtisch mit Hilfe von Literatur und Internet in Bayrisch-Schwaben herum und heraus dabei kam in erster Linie eine Liste mit Wörtern und ein paar kleine Redewendungen. Für Sie, für Euch als kleiner Appetithappen ein paar Auszüge aus meinen eigenen gesammelten Daten:
z.B. die alten Bezeichnungen für Wochentage
Marda – ‚Montag‘
Mørǝda/ Aaftrmëëde/ Dinschdaag (das letzte Wort wurde aus dem Schwäbischen übernommen) – ‚Dienstag‘
Minkda – ‚Mittwoch‘
Pfins(h)ta – ‚Donnerstag‘
Freida – ‚Freitag‘
Såmsta – ‚Samstag‘
Sunda – ‚Sonntag‘
Oftmals erfragt man auch ein paar Begriffe aus der Landwirtschaft oder Haushalt oder Religion, die sind meistens – da mit traditionellen Handlungen verbunden – am besten in ihrer Ursprünglichkeit erhalten:
‚Hahn‘ – Gogl m.
‚Jauche‘ – Mis(t)lache / Ool f.
‚Ernte‘ – Aaret [aaret] f.
‚Kartoffeln‘ – Eadepfa m./ Äärb(i)ra f.
‚Rote Beete‘ – Rande(g)
‚Heidelbeere‘ – Schwarzbeer/ Hoigl(beer) f.
’schwarze Johannisbeere‘ – Weibeerle f.
‚Holz spalten‘ – Hoiz kliabn
‚Disteln rausreißen‘ – Dischla rausraisa
‚Tannen-/ Fichtenzapfen‘ – Butzkiah (wörtl. ‚Butzenkühe‘) f.
‚Begatten der Henne‘ – fliigla / tappa
‚Kater‘ – Boole / Baule m.
‚Ferkel‘ – Seile / Suggele n.
‚ferkeln‘ – fackl(e)n
‚brünstig‘ (bei Rindern) – rindig
‚brünstig‘ (beim Schwein) – rumpe(l)n
‚Borzenstecken‘ – Booazaschdägga (Borze stammt wohl aus dem Ostschwäbischen; Das Wort bezeichnet ein Reisigbündel.)
‚großer Waschkessel‘ – Zuber [tsuber] m.
‚Gefäss zum Einsalzen von Fleisch‘ – Surfass oder Zuber [tsuber] m.
‚brenzlig riechen‘ – brandln
‚Kleidung‘ – Hääß f.
‘Weihnachtsfrüchtebrot‘ – Gletznbrot n.
‚Plätzchen‘ – Loible / Leckerle n.
‚Brotanschnitt‘ – Ränftle / Ränggele / Giggele n.
‚Kirchweihfest‘ – Kiawei f.
‚Schluckauf‘ – Heschar / Häggr f.
Und dann fand ich noch ein paar leider wenige Personenbezeichnungen:
‚Taufpatin‘ – Doolǝ
‚Mädchen‘ – Maal, Maala n.
‚Tante‘ – Dånde
‚Nikolaus‘ – Gloos m.
‚Haberfeldtreiber‘ – Haberfeiddreiba
‚alter Mann‘ – alde Mãã/ Månd
darunter auch Schimpfwörter 😉
Rotzbibbn – ‚ungezogenes Kind‘
Säckl – ‚Blödel, Dummkopf‘
aufmandln – ‚sich aufspielen, sich wichtig machen‘
(Das ganze wurde noch ergänzt durch ein paar „kleinere“ Wörter wie z.B. Richtungsangaben oder Pronomen, die jetzt hier zuviel des Guten wären.)
Die Arbeit, auch ohne Kamera und Mikro und Sprecher live, hat mir dann letztendlich auch großen Spass gemacht, denn ich fand es sehr interessant, wie sich hier quasi ein Dialekt zwischen zwei großen Dialekten – Bayrisch und Schwäbisch – herausgebildet hat und wo das Bayrische stärkeren Einfluss gehabt hat und wo das Schwäbische. Spannend war das, wenn man immer wieder plötzlich ein neues Wort entdeckt! Ganz allgemein auch hat es mein Wissen um den Dialekt und die Dialekte, der hierzulande gesprochen werden, enorm vermehrt. Ich hatte z.B. keine Ahnung von den alten Bezeichnungen für die Wochentage, dass z.B ‚Dienstag‘ in einigen östlichen Gegenden Bayerns immer noch Irda, Ira bzw. Eada heisst.
Noch spannender wird das Ganze dann, wenn man es im Vergleich mit den anderen regionalen Dialekten sieht und dazu gibt es ein ganz hervorragendes Projekt der Uni Augsburg, nämlich den Sprechenden bayrischen Sprachatlas. Die Forscher aus Augsburg haben sich die Mühe gemacht und bestimmte Wörter und Begriffe in verschiedenen Orten Bayerns aufgenommen (diesmal richtig mit Mikro und so 😉 ) und dies auf interaktiven Karten eingetragen, so dass man sich im Internet anhören kann, wie ein und derselbe Begriff in den verschiedenen Regionen Bayerns klingt. So findet man z.B. heraus, dass Quark bzw. Frischkäse in Bayrisch-Schwaben „Toppa“, „Doba“ oder „Topfa“ – also “Topfen‘ – heisst, weiter im Norden, Richtung Franken aber ganz anders: „Zibeleskäs“ (z.B. in Betzenstein). Einfach aus der Liste links einen Begriff auswählen und dann auf die verschiedenen Orte klicken. Die Farben auf den Karten bezeichnen die Verbreitungsgebiete der einzelnen Begriffe. Das Ganze gibt es auch mit vielen Erklärungen dabei mittlerweile in Buchform und es war mir ein sehr nützliches Hilfmittel bei meiner Arbeit.
A rechte Freid hat’s g’mocht, des Projekterl und doss I als Münchner Kindl amoi gsehn hob, wui vuifältig des is, des Boarische, wo I do in Bayern leb und für ois waitere dad I Eich jetzad des neie Biacherl empfehln, des wo im Frühjahr rauskimmt. 😀 *
* ohne Garantie für Richtigkeit, Rechtschreibfehler etc. Ich lerne noch. 😉