Autorität auf 10 cm

„Wenn man sich mal ansieht, wer da bei uns in der Uni alles rumläuft, da fasst man sich wirklich an den Kopf. Da laufen Tussis in 10 cm High Heels herum und erzählen Dir, sie wollen später mal Jugendarbeit machen. Jugendarbeit, dafür braucht es doch Autorität, stell Dir das mal vor!“

sagte heute die Komilitonin auf unserer Projektveranstaltung zur Sozialarbeiterin. Ich stand daneben, habe stumm weiter Butterbrote geschmiert, und einmal schwer geschluckt. Ich finde sowas furchtbar, nicht aus unendlicher Sympathie mit Tussis auf 10 cm High Heels, sondern weil ich so erschrocken über diese Vorurteile war. Sie müssen Sich vorstellen: Da ist jemand, der schon einige Erfahrungen in diesem Metier mitbringt, der wirklich nicht dumm ist, und dann solche Klischeevorstellungen, Vorurteile, Wertungen über andere Menschen, dass es einem die Zehennägel hochreisst. Ist es nicht das wichtigste Gut, ersteinmal vorurteils- und wertfrei auf Menschen zuzugehen? Wer sagt denn, das es nicht möglich ist, auch mit „Tussihandtäschchen“ und 10 cm High Heels autorität u.a. auf Jugendliche zu wirken? Kommt es bei Autorität nicht auf das „Gesamtpaket“ an?

Ich persönlich finde es generell und gerade in diesem Beruf wichtig, zunächst einmal wertfrei einem Menschen mit all seinen Eigenheiten gegenüberzutreten. Sonst ist man verloren. Und ich frage mich: Wer soll denn in dieser Gesellschaft anfangen, vorurteilsfrei auf Menschen zuzugehen, wenn nicht wir – wir als Sozialarbeiter und auch wir als jeder Mensch heute, hier und im Jetzt – es tun?

(Obwohl ich ja zugeben muss, dass ich persönlich, die es bis jetzt noch nie über 2cm Absätze hinaus geschafft hat, vermutlich vor jedem, der es schafft auf 10 cm Absatz noch autoritär und entschlossen zu wirken, vor Respekt tot umfallen würde. 😉 )

7 Kommentare zu „Autorität auf 10 cm“

  1. ich fand in der Schule immer die jungen, attraktiven Lehrer am interessantesten – da flutschte das Lernen viel mehr, weil man sich durch die Nebenthemen viel mehr aufgehoben fühlte, als bei den *hüstel! Sargnägeln… 😉

    Das mit den Vorurteilen – ja… Ich könnt mir vorstellen, dass ihr das gar nicht so bewusst ist, dass sie welche hat.

    und ja – im sozialen Bereicht sollten sich die Vorurteile möglichst in Grenzen halten; wobei man nur abbauen kann, was da ist…

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  2. High Heels – was glaubst du wohl, wie autoritär die klingen, wenn damit jemand wirklich energisch daherschreitet.

    Und solche Vorturteile sind, da gebe ich dir recht, total bescheuert, kommen aber manchmal auf. Ich gebe zu, daß ich diese aufgemotzten Weibchen auf den ersten Blick auch erst mal für komplett inkompetent halte. Wie unrecht ich damit haben kann, hat mir eine Dame in der Uni gezeigt, die extrem grell geschminkt war, Miniröckchen und Highheels mit ca. 60 trug und so aussah, als sollte sie eigentlich mit ihrem Schoßhündchen den ganzen Tag auf der Kö Kaffee schlürfen und nichts außer Shoppen und Schönheit im Kopf hat. Die gute Dame war Philosophieprofessorin (ausgerechnet!) und so intellektuell, daß ich nach 2 Sätzen nicht mehr mitgekommen bin.

    Außerdem ist mir in der Uni aufgefallen, daß die neue Generation Studentinnen einfach viel mehr aufs Aussehen achtet als wir damals. Finde ich.

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  3. Ja, vermutlich ist es ihr gar nicht aufgefallen, sie ist sich dieses Vorurteils sicher nicht bewusst. Mir ist es einfach nur aufgefallen, dass sich Vorurteile bisweilen auch ins Gegenteil verkehren. Aussehen sagt einfach nichts aus über Kompetenz, egal wie rum man es nimmt.
    Mir fällt auch auf, dass viele Leute an der Uni auf ihr Aussehen achten, irgendwie tun das ja alle. Es gibt kaum welche, die – äußerlich betrachtet – in dieses typische Sozialarbeiterklischee passen. Und das müssen wir ja eben auch gar nicht. Nur weil es Vorurteile und Klischees gibt, heisst das ja nicht, dass wir sie auch erfüllen müssen. 😉

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  4. Ich hab mal eine Sozialpädagogin kennen gerlent, bei der ich im ersten Moment gedacht hab, die könnte auch locker eden Tag auf der Couch rumhängen und eden Monat brav ihr Hartz IV ausgeben. Wenn man sie reden hörte fragte man sich dann doch, wie die überhaupt ihr Abitur geschafft hat. Aber gerade das war auch ihr Pluspunkt. Die war in dem Bereich, in dem sie gearbeitet hat einfach verdammt gut.

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  5. bei mir fragen sich ja auch immer alle ob das stimmt, dass ich religionspädagogik studiert habe:)

    ich kenne eine menge guter 10cm absatz sozpädagoginnen und eine menge schlechte in jute gewandete. und dennoch kommt es zum schluß auf die innere haltung an, egal in welcher kleidung sie daher kommt. nüch?

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