Nach einer endlos langen Zeit war es heute mal wieder Zeit für Frisör. Seit Jahren habe ich einen leicht durchgestuften Schnitt und blonde Strähnen, um mein Straßenköterblond etwas lieblicher zu erhellen. Rise and shine! Meine Haare sind mir ca. 338 Tage im Jahr herzlich egal, hauptsache irgendwie verstaut und praktisch, aber ca. drei bis viermal im Jahr, wenn ich zum Friseur gehe, da werd ich ca. eine Woche davor ganz doll hibbelig. Ich will keine 08.15 blonden Strähnen, ich will das Besondere, auf der Straße laufen 10.000 toll gestylte Frauen rum, ich will auch mitmachen im grossen wöndörbaren Beauty-Karussell!!! Nur das eine Mal.
In den letzten paar Jahren läuft ein Frisörbesuch also ungefähr so bei mir ab: Mehrere Tage vorher fange ich an zu grübeln, was ich denn nun will. Meine Haare sind langweilig, strassenköterblondgefärbt bis farblos, doof. Etwas Neues muss her. Etwas ganz Neues und Ausgefallenes, ein neues Ich, eine neue Frau Rossmeister. Also überlege ich hin und her, was man denn da so machen könnte. Farbe, ich will Farbe!!! Schwarz? Ääääh, nein danke, zu krass. Braun? Hmm ja, vielleicht. Rot? Vielleicht, also ich kann’s mir ja nicht so recht vorstellen…. Also keine Farbe, wie wärs mit einem neuen Schnitt, wie wär’s mit einem Pony? Ja! Ja! Ja! Pony, ich will seit Jahren einen Pony. Seit Jahren? Äääh ja, Moment mal. Vor etlichen Jahren hatte ich einen Pony, der sah einfach nur sch.ei.benkleister aus, wie hingeklatscht. Außerdem müsste man einen Pony ja jeden Morgen stylen und zurechtzupfen und mit Haargel und… viel zu kompliziert. Locken? Locken sind perfekt, meine Haare sind viiiel zu langeweilig, ich will Locken, genaugenommen will ich locken schon seit meiner Geburt etlichen Jahren. Das Problem daran? Auch Locken müsste man pflegen. Uh, alleine der Gedanke, jeden Morgen eine Stunde vor dem Spiegel meine Lockenpracht zurechtzufönen lässt mich erschaudern. Auch keine Locken also, aber was denn nun dann? Gut, keine Panik, der Meister wird schon wissen, was zu tun ist.
Ich betrete also den Laden, genau so klug wie zuvor und unterbreite dem Meister meine gesammelten Vorschläge. Ich will Länge, Volumen und Lockenpracht UND ich will pflegeleicht, also morgens kämmen – Spange rein – fertig, das ist doch kein Problem oder? Im allgemeinen hören sich die Frisöre und Friseusen das an, lächeln gütig und erklären mir dann freundlich, dass meine Spitzen sowas von kaputt sind, dass wir da erstmal mindestens gefühlte 20 cm 5 cm abschneiden müssen. Und Farbe, nun ja, also wenn ich nichts dunkles will, dann bleibt halt nur blonde Strähnen. Wir könnten die noch ein bisschen verfeiner durch… Ich bin feige einverstanden und begnüge mich mit Strähnchen und Spitzen schneiden. Aber nächstes Mal, da traue ich mich endlich und dann wird alles anders. Ich will ja schliesslich auch nicht bis ans Ende meines Lebens gleich aussehen.
Heute lief es etwas anders ab: Mutti hate mich zum SuperSchückümücküFrisör geschickt, sie bezahlt und meine Haare haben es mehr als nötig. Ich betrete den SchückümücküFrisörladen, eine junge Dame nimmt mir sofort den Mantel ab. Wenig später kommt ein netter junger schwuler?? Mann auf mich zu und bittet mich zum Stuhl. Als allererstes bekomme ich einen sehr leckeren Kaffee. Ich werde mutiger. Jetzt will ich wirklich was ändern, heute trau ich mich, heute gibt es eine ganz neue Frau Rossmeister! Wenn nicht hier in diesem SupersonderFachSchückümücküFrisörladen, wo denn bitte dann? Ich unterbreite dem Meister also meine Vorschläge, plötzlich doch wieder sehr zaghaft, ich bin mir sehr unsicher. „Also nein, ein Pony muss jetzt nicht unbedingt sein.“ Wir sehen uns tolle Bücher an mit tollen gestylten Köpfen darinnen, Bilderbücher für Erwachsene, ich entdecke eine einzige Langhaarfrisur darin, macht nichts, es geht ja um die Farbe. Dunkel? Nein. Etwas Dunkler, vielleicht braune Strähnen zwischen den Blonden? Braun macht die Haare fülliger und es ist ja gar nicht vie dunkler und dann sieht man es nicht so schnell rauswachsen. Aaargh. Ich zögere, aber er ist der SchückümücküMeister, er muss es wissen. Nun ja, die Spitzen sind ziemlich kaputt, da sollten wir wohl wirklich mal gefühlte 20 cm 5 cm abschneiden. Gebongt Überredet. Ich traue mich was. Heute also blonde Strähnen mit Braun. Aber nächstes Mal, wenn ich komme, gibt es Kurzhaarschnitt, schwarz, so wie aus dem topmodischen Buch, erkläre ich dem netten jungen schwulen? Mann. Oder doch Pony? 😉
Ich sitze in dem topmodernen Schückümückü Sessel, der mehr an ein Möbelhaus als an Frisör erinnert, schaue mich um und überlege mir, ob es zur Philosophie dieses Ladens gehört, dass Frauen Männer schneiden und Männer Frauen, doch dann entdecke ich auch Gegenbeispiele und bin erleichtert, irgendwie ist auch der SchückümücküFriseurladen nur ein Friseurladen . Eine knappe Stunde später ähnelt meine Birne wie üblich der Frisur von dem Tokio Hotel Sänger, nur mit Silber dazwischen, ich ärgere mich laut, dass Fasching nun schon vorbei ist und ich es auch dieses Jahr wieder verpasst habe, meinen Plan als Friseurleiche zum Fasching zu gehen in die Tat umzusetzen. 😉 Eine weitere Stunde ächze ich, weil mein Kopf irgendwie vor lauter Silber 10 kg schwerer ist als sonst. Aber wir wollen die Farbe schon richtig einwirken lassen, nicht nur so eine halbe Stunde und dann ist alles bieselgelb, oder?
„Nee nee, alles bloss kein bieselgelb.“
Noch eine knappe Stunde später stehe ich dann vor dem Schückümücküfriseurladen, auf dem Kopf langweilige blond-braune löschtische bunte Strähnen und schaue ganz klasse aus, wie mir sämtliche Mitarbeiter versichern. Ich bin zwar selber auch sehr angetan von mir dem fähigen netten jungen Frisör und diesem Friseurerlebnis delücks, allerdings bin ich Mama auch um eine wahrliche Höllensumme ärmer und nächstes Mal gehe ich wieder zu meinem normalen Friseur, denn Kaffee, bunte Bücher, einen Tokio-Hotel-Kopf und vor allem löschtisch bunte Strähnen kriege ich auch bei dem – für die Hälfte des Geldes. (Die andere Hälfte spende ich dann für arme Kinder oder so.)